Sprachförderkonzept der Selma-Lagerlöf-Schule

Das Sprachförderkonzept unserer Grundschule mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „Sprache“ bildet das Kernstück des Schulprogramms. Es stellt somit die Fokussierung auf die Arbeit an und mit der Sprache dar. Es präzisiert unseren Entwicklungsschwerpunkt „Kommunikatives Handeln“ und legt Entwicklungsziele im Bereich unseres Profils fest.

Ausgehend von der bildungspolitischen Debatte über 'inclusion', die 15 Jahre nach der World Conference of Special Needs Education von Salamanca nun in der Öffentlichkeit geführt wird einerseits und den Ergebnissen internationaler und nationaler Schulleistungsuntersuchungen andererseits, sind wir als Förderzentrum besonders aufgerufen unser Profil zu überdenken und unsere Arbeit transparenter zu dokumentieren. Übergeordnetes Ziel unseres Sprachförderkonzepts ist es, „[..] dass die Schülerinnen und Schüler über eine dialoggerichtete Anleitung Sprache auf- und ausbauen, sprachliches Handeln in alltäglichen Bewährungssituationen bewältigen und sich als kommunikationsfähig erleben können.“  (SopädVo vom 19.1.2005, § 10) Dann können die SuS mit Aussicht auf mehr Erfolg ihre Schullaufbahn in der wohnortnahen Schule fortsetzen. Der Charakter der Selma-Lagerlöf-Schule als Durchgangsschule oder als Einrichtung mit dem Ziel der „Reintegration“ wäre erfüllt.

Dieses Sprachförderkonzept berücksichtigt die Bedürfnisse unserer SuS nach Bildung, Erziehung, Therapie und Sozialarbeit, indem es die Entwicklung des kommunikativen Handelns als Bindeglied, Grundlage und Chance für die Entwicklung auf diesen Ebenen konkret plant. Auf der Grundlage der eingerichteten Maßnahmen werden im Folgenden Teilbereiche unserer Arbeit als Sonderschule und Förderzentrum „Sprache“ dargestellt und in der Chronologie der kindlichen Entwicklung betrachtet. Diese Vorgehensweise unterstreicht die Tatsache, dass es sich bei einer „Sprachstörung“ um eine Entwicklungsstörung handelt, die natürlich so früh wie möglich Beachtung finden muss.

 

Kooperation mit vorschulischen Einrichtungen

 

Die Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt „Sprache“ umfasst unter anderem Aufgabengebiete, die „in Zusammenarbeit mit den Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe, die vorschulische sprachheilpädagogische Förderung [...] unterstützen.“ (SopädVo vom 19.1.2005, § 25)


• Die Kitas werden durch ihnen bekannte Sprachberater zu Fragestellungen der Sprachentwicklung einzelner Kinder beraten.


• Kitas erhalten auf Wunsch Unterstützung in den Bereichen Elternarbeit, Förderplanung und Förderung.


• Ggf. werden Kooperationspartner für die Eltern vermittelt, die bei Schullaufbahnberatung für das Kind tätig werden.
• Integrationserzieherinnen werden auf Anfrage in Seminaren zu Sprachförderung fortgebildet.


• Kitas besuchen mit ihren Vorschulkindern unsere Schule, so dass künftige EinschülerInnen das Lernen in der Schulanfangsphase erleben können.


• Der Kooperationsvertrag mit unseren Nachbarkitas „Zwergenparadies“ und „Paule Platsch“ wurde zur Intensivierung der Zusammenarbeit erneuert.

• Im Januar findet, sofern der Elternwunsch besteht, in den Kitas ein Screeningverfahren zur Erfassung der sprachlichen Fähigkeiten von sprachentwicklungsverzögerten Vorschulkindern statt. Dies dient der Elternberatung, der Vorbereitung auf die bevorstehende Einschulung und der Beratung der Grundschulen über die Notwendigkeit ein Feststellungsverfahren mit dem Förderschwerpunkt „Sprache“ einzuleiten.

 

Verlaufs- und Förderdiagnostik des sonderpädagogischen Förderbedarfs „Sprache“

 

• In enger Zusammenarbeit aller LehrerkollegInnen und KollegInnen aus der Ergotherapie sowie Psychomotorik wurde eine umfassende Diagnostik für alle EinschülerInnen entwickelt. Durch das kontinuierliche Engagement der Saph- Lehrerinnen besteht umfassende diagnostische Kompetenz innerhalb der flexiblen Schulanfangsphase.


• Eine Woche nach Schuljahresbeginn werden die EinschülerInnen mit geeigneten Übungen, Spielen und Verfahren durch die Kolleginnen der Psychomotorik und der Ergotherapie überprüft, während die Klassenlehrerinnen ihre SuS dabei beobachten. Die Kolleginnen des OGB betreuen während dieser Zeit die anderen Kinder der altersgemischten Klassen.


• Mit Beginn eines jeden Schuljahres findet eine Sprachdiagnostik mit jedem Kind unserer Schule statt. Im Zweierteam werden diagnostische Verfahren angewandt, Beobachtungen notiert und die Förderung formuliert.


• Alle diagnostischen Ergebnisse und die daraus abgeleiteten kurzfristigen und konkreten sprachlichen Förderziele finden ihren Niederschlag in zweimal jährlich erstellten Förderplänen . Für die Erstellung sind die KlassenlehrerInnen verantwortlich. Mindestens einmal jährlich werden diese mit den Erziehungsberechtigten besprochen und abgezeichnet.


• Die Erzieherinnen arbeiten entsprechend ihrer Fähigkeiten und in Kooperation mit den LehrerInnen an der Umsetzung der abgeleiteten Förderziele mit.


• Als Grundschule nutzen wir das Angebot des Bezirkes Lichtenberg und beteiligen uns am Screeningverfahren für alle Erstklässler zum Programm PULS. Die Ergebnisse gehen in die Förderplanung und Förderung ein.


• Allen Lehrerinnen der Selma-Lagerlöf-Schule sind sprachdiagnostische Verfahren wie der SSV, SETK, ESGRAF-R, SET 5-10 und der WWT 6-10 bekannt. Die KollegInnen mit sonderpädagogischer Qualifikation können diese Verfahren durchführen. Die Ergebnisse werden für die Förderplanung mit allen betroffenen KollegInnen besprochen.

 

Fach- und lernbereichsübergreifende Prinzipien der Sprachförderung

 

• Entsprechend der Förderplanung und Möglichkeiten der jährlichen Stundenzumessungen findet innere und äußere Differenzierung statt.


• Die zusätzliche Sprachförderung der Schule wird durch die zugewiesenen Stunden von 4 Lehrerstd. in der Schulanfangsphase und 2 Lehrerstd. ab Klasse 3 bis Klasse 6 abgedeckt.


• Jeder Unterricht verfolgt sprachtherapeutische Entwicklungsziele, welche den entsprechenden Sprachebenen zuzuordnen sind. Allen Sprachebenen ist dabei eine modellhafte Lehrersprache überzuordnen, bei der folgende Grundprinzipien zum Ausdruck kommen:

◦ der gezielte Einsatz von Modellierungstechniken (nach Dannenbauer)
◦ eine langsame, nicht zu schnelle und deutliche Artikulation
◦ die bewusste Verwendung von Wiederholung, Akzentuierung und Sprechpausen
◦ der planvolle Gebrauch von Sprechmelodie sowie Variationen der Lautstärke
◦ handlungsbegleitendes Sprechen
◦ eine einfache und prägnante Syntax sowie das Reduzieren der sprachlichen Komplexität (orientiert am Sprachentwicklungsstand der SuS)
◦ das Einfordern von Blickkontakt
◦ ein bewusster Einsatz von Mimik und Gestik
 

a) Fördermaßnahmen auf phonetisch-phonologischer Sprachebene


◦ Es kommt verstärkt zur Anwendung von lautunterstützenden Handzeichen/ Gebärden.

◦ Mundmotorische Übungen (u.a. zum Artikulationsort, -organ, -art unter Verwendung eines Artikulationsspiegels) und das Nutzen des natürlichen Mundbildes (keine Überartikulation) werden in die Unterrichtsarbeit integriert.

◦ Besonderes Augenmerk wird auf die Förderung der phonologischen Bewusstheit (u.a. Arbeit mit Minimalpaaren, Analyse/ Syntheseübungen auf Laut- und Silbenebene; Segmentierungsübungen) gelegt.

◦ Die Laut-Buchstaben-Erarbeitung (GPK-Regel) erfolgt multisensorisch, um möglichst vielen Lerntypen gerecht zu werden.

◦ Die Auswahl des Wortmaterials wird hinsichtlich seiner linguistischen Komplexität reflektiert (z.B. überdenken der Laut(an)bildung, -position, -struktur; Laute hinsichtlich der Silbenstruktur).

◦ Die Förderung am phonetisch-phonologischen Entwicklungsschwerpunkt erfolgt fächerübergreifend, um ein auditives Bombardement zu provozieren.

◦ Rhythmisches Sprechen und das Chorsprechen sind wesentliche Bestandteile unserer Unterrichtsarbeit.

◦ Im auditiven Bereich wird mit den SuS unter anderem das Eigenhören trainiert. Geräusch-, Klang- sowie Lautdifferenzierungen helfen den SuS ihre auditiven Wahrnehmungsleistungen zu schulen.

◦ Auch auf metasprachlicher Ebene werden phonetische und/oder phonologische Aspekte von Sprache reflektiert.
 

b) Fördermaßnahmen auf semantisch-lexikalischer Sprachebene

 

◦ Die Wortschatzerweiterung erfolgt sowohl auf der Inhaltsebene (vom Konkreten zum Abstrakten) als auch auf der formalen Ebene (Phonologie, Morphologie, Syntax, Grapheme).


◦ Im Unterricht werden die Strukturen hierarchischer Netzwerkmodelle genutzt.


◦ Die Begriffsarbeit erfolgt auf der Basis prototypischer Kontexte (z.B. keine Metaphern), die sich an der Lebenswelt unserer SuS orientieren.


◦ Um Wortfindungsstörungen entgegen zu wirken, werden mit den SuS verschiedene Faktoren zur Verbesserung des Wortabrufs (semantisch, phonologisch) trainiert. Zudem soll die Vermittlung von Strategiewissen dazu beitragen (zur Selbstständigkeit, als Kompensation, mit Hilfe von Memostrategien) die Kommunikationsfähigkeit der SuS flüssiger zu gestalten.


◦ Regelmäßige Bibliotheksbesuche sowie der Einsatz von Kinderliteratur unterstützen die tägliche Arbeit zur Elaboration des Wortschatzes.


◦ Im Unterricht wird darauf geachtet, dass anfangs auf vertrautes, den SuS bekanntes Wortmaterial zurückgegriffen wird, damit anschließend darauf aufgebaut werden kann. Eine Differenzierung und Erweiterung des mentalen Lexikons wird auch erreicht, indem darauf geachtet wird, möglichst viele Sinne anzusprechen.
◦ Häufig werden Bewegungen und Sprache im Unterricht miteinander verbunden (u.a. Liedtexte, Sprechzeichnen).


◦ Auch individuell erstelltes und spezifisches Wortmaterial (z.B. mit 'zabulo') kommt zum Einsatz.


◦ Die Arbeit mit Hilfe von Wortfeldern ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Sprachebene.


c) Fördermaßnahmen auf morphologisch-syntaktischer Sprachebene


◦ Die unterrichtsintegrative Fördermethode „Kontextoptimierung“ nach Prof. Motsch wird von allen KollegInnen in die tägliche Planung von Unterricht einbezogen.


◦ Zusätzlich wird die Schrift als metasprachliches Medium bewusst eingesetzt.

 

d) Fördermaßnahmen auf kommunikativ-pragmatischer Sprachebene

 

◦ In die Unterrichtsarbeit werden ritualisierte Sprachanlässe integriert, die sich an der Lebenswelt der SuS orientieren (Hol- und Bringdienste; thematisch strukturierte Gesprächskreise sowie partner- und/ oder gruppenbezogenes Arbeiten).


◦ Die Vermittlung von Sprachkonventionen (bitten, danken, gratulieren, entschuldigen) ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Unterrichtsarbeit.


◦ Unseren SuS wird ausreichend Zeit gelassen, eigene Redebeiträge zu gestalten. Dadurch wird ein offenes und angstfreies Kommunikationsklima geschaffen.


◦ Durch gezielte Entspannungsübungen werden Wohlfühlsituationen geschaffen, die sich fördernd auf die Redefähigkeit auswirken.


◦ Bei Kindern mit Problemen im angemessenen Verwenden von Redemitteln werden in ihrer Selbstakzeptanz unterstützt und Selbstbewusstsein aufgebaut.


◦ SuS mit Redeflussstörungen werden sprechtechnische Hilfen angeboten (z.B. Hinweise zur Atmung, redebegleitende Bewegungen, Sprachverzögerungsgerät...).


◦ Unser großes Ziel ist es, Freude am Sprechen und Zuhören bei den SuS zu wecken. Auch Trainingseinheiten zum aktiven Zuhören werden in die Unterrichtsarbeit integriert.


◦ Mit den SuS werden Strategien zur Kodierung und Dekodierung nonverbaler Kommunikationsmittel erarbeitet.


◦ Es wird darauf geachtet, den SuS angemessene, sprachliche Anforderungen zu stellen.


◦ Das gemeinsame Singen, das Erlernen von Sprechversen und das Chorsprechen bietet den SuS Sicherheit im kommunikativen Handeln.


◦ Die Reflexion und Transparenz von Kommunikationssregeln wird konsequent eingefordert.


◦ Präsentationstechniken werden von Beginn der Schullaufbahn an vermittelt und sind fester Bestandteil des Unterrichts.


◦ Alle KollegInnen arbeiten daran, die Sprechbereitschaft von eher sprachgehemmten Kindern zu erhöhen und sie zur kommunikativen Öffnung zu bewegen.


◦ Bei Beeinträchtigungen der Redefähigkeit/ des Redeflusses kommt es zur Zusammenarbeit mit spezialisierten logopädischen bzw. psychologischen Praxen oder stationären Einrichtungen.

◦ Für jede Unterrichtseinheit werden sprachtherapeutische Ziele entsprechend dieser Sprachebenen geplant, durchgeführt und im Arbeitsplan ausgeführt. Dazu dienen die wöchentlichen Teamsitzungen.


◦ Unterrichtsplanung und Durchführung wird permanent (mit den Fragen: Welche sprachlichen Fähigkeiten habe ich entwickelt? Waren meine Maßnahmen geeignet um Sprachentwicklung zu initiieren?) hinterfragt.


◦ Alle Möglichkeiten des offenen Unterrichts werden genutzt.


◦ Am Ende einer Projektwoche gibt es eine Präsentation, ggf. auch für Gäste.


◦ Die Erzieherinnen unterstützen die Bildungs- und Förderziele durch angeleitete und selbständige kompetente Förderung im Rahmen des Unterrichts, in der Rhythmisierungszeit und im Rahmen des OGB am Nachmittag.


◦ Die Fachkonferenzen thematisieren neben Fragestellungen des Rahmenlehrplans der Berliner Schule immer die Potenziale des sprachtherapeutischen Unterrichts.


◦ Während der monatlichen Stufenberatungen und der wöchentlichen Teamberatungen der Saph werden Methoden und Mittel der sprachlichen Förderung im Unterricht geplant und koordiniert.


◦ Neben allgemeinen Themen der Didaktik werden Fortbildungsveranstaltungen mit sonderpädagogischen Fragestellungen zur Erweiterung der Kompetenz in der Arbeit an einer Schule mit sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „Sprache“ regelmäßig besucht.


◦ Zusätzliche Sprachförderung erfolgt entsprechend des Schulprogramms durch die musische Erziehung, eine gesunde Lebensweise und das Aufsuchen schulferner Lernorte. Dies geschieht beispielsweise auch durch unsere traditionellen Aufführungen wie dem „Fest der kleinen Künstler“ als jährliche Aktivität des OGB, dem Weihnachts- und Schuljahresendprogramm, dem Flötenunterricht und zahlreichen Exkursionen, die insbesondere zur Erweiterung der semantisch-lexikalischen Kompetenzen sowie der kommunikativ-pragmatischen Fähigkeiten genutzt werden.

 

Vorbereitung und Begleitung der Umschulung in die wohnortnahe Grundschule

 

• Die Eltern von SuS mit sonderpädagogischen Förderbedarf „Sprache“ werden vor einer möglichen Einschulung ihrer Kinder in unserer Schule und während des Aufenthalts über die Möglichkeiten der Integration in die wohnortnahe Grundschule ausführlich beraten.


• Schülerinnen und Schüler, die umgeschult werden, können sich während einer von uns begleiteten mehrwöchigen Probephase in der wohnortnahen Schule einleben.


• Während der Extrastunden für Sprachtherapie werden sie besonders auf diese Probephase vorbereitet, indem sie über Ängste sprechen, lernen sich ansprechend vorzustellen, üben verbalen Kontakt mit unbekannten Personen aufzunehmen und vor allem in ihrem Selbstbild gestärkt werden.


• Mittels Kontakt zur Schulleitung werden Eltern und deren Kinder zeitnah bei Problemen beraten oder an Kooperationspartner weiter vermittelt.


• Vor und während der Probebeschulung ergibt sich eine Kooperation mit den aufnehmenden Schulen. Die Nachbereitung einer Probephase erstreckt sich zum Teil zuweilen auch auf die Zeit nach einer erfolgreichen Umschulung.

 

 

 

 

Stand 29.02.2016